Dieses Porträt wurde erstellt von
Natalia Gawron


 

„Ich möchte die Menschen dazu bringen, dass sie lernen zu warten, den Kreislauf der Natur zu verstehen und nicht immer wie selbstverständlich alles bekommen.“

 

Ein auf einem Hang gelegenes Grundstück mit Blick auf den Karpfenteich.

Frau Bernhardt schaut zufrieden ins Grüne.

„ICH LEBE“ sagt die gelernte Wirtschaftskauffrau. „Ich lebe – und das erste Mal nach meinen Regeln“. Nach zwei Burnouts wollte Ute Bernhardt der kaputten Welt der Macht, der Gier und des Neides entfliehen. Alles fing mit einem grünen Tisch, einem Sonnenschirm und einem Schild am Tor auf dem „Aus Hobbyherstellung“ stand an. Die Liebe zur Ernährung und zu guter Bewirtschaftung hat Frau Bernhardt bei ihrer Arbeit in der Hotellerie entdeckt. Heute bewirtschaftet sie ihren eigenen hellen, freundlichen Hofladen. Hier können die Besucher Kräuteröle, Fruchtaufstriche, Kräutersalze, Spirituosen, Tee und Naturkosmetik kaufen und genießen. „Ich brauche nicht den Schreibtisch und die Akten. Ich brauche Trubel.“ Nach einer Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau, einem abgebrochenen Studium in Planung & Ökonomie war sie 18 Jahre lang in der Gastronomie und im Verkauf tätig. Doch Berufung sieht anders aus. Heute bestimmt nur die Natur den Takt ihrer Arbeit. „Es gibt zum Glück keine Routine mehr und kein Karussell, das sich ständig drehen muss. Ich arbeite, wie die Natur es mir vorgibt.“ An trockenen Tagen werden Kräuter geerntet. An anderen Tagen werden Kräuter, Obst und Gemüse aufbereitet oder zu Heilansätzen verarbeitet. In den Sommermonaten ist wegen der Ernte mehr zu tun. Wenn es kälter wird, kann sich die Kräuterfrau auf ihre anderen Projekte konzentrieren. Dann ist viel Schreibtischarbeit angesagt -Skripte bearbeiten, Buchhaltung und Finanzen.


 

An den Wochenenden steht die Kräuterwirtin meist in der Küche und bereitet Essen für Schüler und die Hofgastronomie vor. Langeweile kennt sie nicht. Motivation ist die Dankbarkeit, die Frau Bernhardt heute verspürt. Ein wenig Wehmut empfindet sie dennoch, wenn sie daran denkt, dass sie kaum Wochenenden hat und meist nicht mit zu Familienfeiern kann. „Doch das war schon immer so. Das kennt meine Familie inzwischen. Mein Leben ist eben nicht der normale Bürger“, schmunzelt die Hofbesitzerin. 

 

Natur als ganzheitliches Konzept


 

Der Kräuter- und Naturhof ist nicht nur Nahrungsmittelerzeuger. Das Konzept des Hofes ist ein ganzheitliches. Ein Kompaktpaket. So sieht Frau Bernhardt auch ihr jetziges Leben. Ein Kompaktpacket aus ihren damaligen Berufen. „Mein Traumberuf war Lehrerin“, denkt die Wirtin zurück. „Heute bin ich Lehrerin. Lehrerin der Natur.“ Die gelernte Kräuterpädagogin bietet auf ihrem Kräuter- und Naturhof nämlich auch Wanderungen, Kochkurse und Workshops an. Mit ihrem zweiten Standbein, der Firma „NaturReich-Wissen“, möchte sie dem modernen Menschen altes Wissen um den Kreislauf der Natur näherbringen. Seit Januar 2020 bietet Frau Bernhardt eine 16-monatige Ausbildung zum Kräuter- und Naturwirt auf ihrem Hof an. „Es gibt so viele Helfer in der Natur sei es eine Pflanze, ein Baum oder eine Frucht.“ Auch die Phytotherapie ist ein Gebiet, das Frau Bernhardt begeistert. Deshalb stellt sie Heiltees, Salben und Tinkturen aus ihren Kräutern her. Heilkräuter haben eine lange Tradition in der Medizin und sind in fast allen Heil- und Therapieschulen vertreten. Mittlerweile finden Naturheilverfahren auch im Schulmedizinischen Kontext große Anerkennung. „Wildpflanzen sind wahre Überlebenskünstler“, liest man auf der Webseite des Kräuter- und Naturhofes. Mit großen Augen erklärt sie uns, dass Wildpflanzen auf nährstoffreichen Böden wachsen und das ohne jegliche menschliche Hilfe. Das macht sie zu wahren Kraftpaketen, die reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen sind. Kulturpflanzen können da schwer mithalten. Ausgelaugte Böden, Pestizidbelastung und nicht zuletzt klimaschädliche Anbau- und Transporttechniken gehören zur Tagesordnung. Dem möchte die Kräuterwirtin entgegenwirken, indem sie die Thematik bewusst macht und dafür sensibilisiert. „Das gelingt mir sehr gut“, erzählt sie uns begeistert, „wenn ich mit unseren Gästen durch den Garten gehe und ihnen die vielen kleinen Wunder, essbare Dinge zeige und das Wort UNKRAUT als Urkraut erkläre.“ Auch Waldbaden und geführte Wanderungen bietet Frau Bernhardt an. Der Wald als Ort der Verbundenheit und der Geborgenheit gehört ebenso zur ganzheitlichen Philosophie des Kräuter- und Naturhofes wie die Kräuter und das Wissen um sie selbst. „Jetzt machst du endlich das, was dir Spaß macht“, sagt ihre Mama. Über viele Umwege ist die Naturliebhaberin endlich angekommen. Lebenslanges Lernen gehört für sie dazu und macht das Leben spannend.


Fast schon demütig erzählt die Kräuterwirtin uns, dass sie „nur das verarbeiten kann, was die Natur ihr gibt“. Die Leute fragen manchmal, warum denn ein bestimmtes Produkt nicht mehr da ist. Dann antwortet Frau Bernhardt souverän: „Die Saison ist vorbei und andere fanden es auch lecker“. Der Mensch muss wieder lernen, was es heißt naturnah und im Einklang mit ihr zu Leben. Durch Industrie und Globalisierung sind wir es gewohnt, dass alles ständig verfügbar ist. Das macht nicht nur den Menschen krank, sondern auch den Planeten. Echter Genuss erfordert Geduld. Die braucht Frau Bernhardt auch bei der Produktion ihrer Erzeugnisse. Sie und ihr Mann sind zuständig für Anbau, Produktion, Vertrieb und Marketing. 

 

 

Seit vergangenem Jahr leistet sich das Paar eine Aushilfe. „Das ist auch gut so“, sagt die Unternehmerin, „so komme ich nicht in alte Rollenmuster wie „du musst“, „du sollst“ – dieser ewige Druck, an dem ich damals zerbrochen bin“. Dennoch steckt hinter Bewässerung, Bearbeitung des Ackers und schließlich der Ernte eine Menge Zeit und Arbeit. Hinzu kommt, dass es Jahre gibt, in denen die Ernte auch mal schlecht ausfällt. Auch das muss bei der Preisgestaltung kalkuliert werden. „Ein Landwirtschaftsbetrieb ist abhängig von dem Preis, der ihm geboten wird. Das ist kein fairer Handel aus meiner Sicht“, stellt die Wirtin bedrückt fest. Verantwortungsvolle Landwirtschaft und angemessene Gewinnmargen lassen sich nur schwer vereinbaren. Viele kleine Höfe scheitern an den Richtlinien der EU. Die EU- Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau (Juni 2007) definieren genau „wie landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel, die als Öko-Produkte gekennzeichnet werden, erzeugt und hergestellt werden müssen.“1 Ungefähr einmal jährlich werden die Produktionsstätten kontrolliert. Der ökologische Landbau wird zwar seit 1989 staatlich gefördert, doch gibt es strenge Auflagen, um Gelder zu erhalten. Diese dienen auch nur dem Ausgleich, der durch den Mehraufwand in der Produktion entsteht und sollen die Einkommenseinbußen ausgleichen.1 Rentabel werden die Höfe dadurch trotzdem nicht automatisch, denn oft fehlen Ressourcen für Umstrukturierungen. Dennoch glaubt Frau Bernhardt, dass die Menschen immer besser aufgeklärt sind, die Bedeutung ökologisch hergestellter Produkte schätzen und auch gerne etwas mehr in sie investieren. Trotz des möglichen Verdienstes lehnte die Kräuterwirtin Verträge mit Bio Company oder Pflanzenkölle ab. „Ich wollte nicht wieder in dieses Hamsterrad.“ Sie ist sich sicher, dass die Menschen, die auf ihren Hof kommen gerade die kleine, familiäre Atmosphäre schätzen. „Klein, mein, sein“ ist der Leitsatz, mit dem die Kräuterwirtin ihren Hof führt. „Die Persönlichkeit und das Gespräch mit uns. Das macht mich einzigartig.“ 


1Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Hg): Ökologischer Landbau in Deutschland. Bonn 2020.

 

Verantwortungsvolle Landwirtschaft und Rentabilität


 

Familie Bernhardt ist Mitglied bei pro agro, einem Verband, der die ländlichen Höfe in der Vermarktung unterstützt. „So konnten wir schon mehrere Anerkennungspreise im Bereich Direktvermarktung und Land- und Naturtourismus abräumen und sind auf dem Hofportal Berlin/ Brandenburg sichtbar“, erzählt die Landwirtin. Auch auf der Plattform TMB

(Tourismus Marketing Brandenburg) ist der Kräuter- und Naturhof mit großem Erfolg vertreten. Subventionen oder staatliche Fördermittel erhält Frau Bernhardt nicht. Alles was erwirtschaftet wird, wird direkt reinvestiert. Das ist der Hofbesitzerin wichtiger als große Gewinne. Zum Glück übernimmt ihr Mann vorerst die Grundsicherung. „Das ist gut und bringt mir weniger Kopflast.“ So kann das Geld im Unternehmen bleiben und dem Wachstum dienen. Denn wenn Frau Bernhardt eins nicht kann dann ist das aufgeben. Ihr Mann nennt sie auch liebevoll „Fräulein Ungeduld“.



Trotz vorerst geringen Gewinnmargen kämpft die Unternehmerin für ihren Hof und zieht das durch, was sie sich in den Kopf gesetzt hat. Herr Bernhardt meint, dass seine Frau manchmal mit dem Kopf durch die Wand geht. „Das ist doch ne gute Eigenschaft, besser als kampflos aufgeben“, sagt die im Sternzeichen Stier geborene. Dann schmunzelt er. „Kopf hoch, sonst siehst du die Sterne nicht“, ist Frau Bernhardts Leitspruch. Mehrere Standbeine sichern die Existenz des ganzheitlichen Hofes. Die breite Aufstellung mit Hofladen, Schule, Führungen, Kursen und Gastronomie wird nicht nur dem Konzept des Kräuter- und Naturhofes gerecht, sondern auch dessen Wirtschaftlichkeit. Im Coronajahr fielen die Einnahmen durch die Vortragsreihen weg. Dafür war die Nachfrage für die Ausbildung zum zertifizierten Kräuter- und Naturwirt deutlich höher als gedacht.

„Aller Anfang ist schwer. Es ist ein Prozess, den ich auch erst lerne“, gesteht die Unternehmerin sich ein. „Es geht immer weiter. Man muss nur Ideen haben und daran fehlt es mir zum Glück nicht.“ Da es im letzten Jahr coronabedingt keine Weihnachtsmärkte gab, hat Frau Bernhardt die Chance ergriffen und ihre Produkte außer Haus angeboten. Es gab selbst hergestellten Fichtenglühwein, Stollen, Bratwurst und Suppe – alles mit Kräutern aus ihrem Anbau. Auch die Kooperation mit Gastronomien in der Umgebung stellt eine mögliche Einkommensquelle für den Kräuterhof dar. Für einen regionalen Gasthof stellt Familie Bernhardt eine nur für ihn kreierte Spirituose her. Zeitweise waren sie mit einem kleinen Sortiment auf der Burg Storkow und der Touristeninformation in Königs Wusterhausen vertreten. Vom Onlineverkauf ihrer Produkte sieht die Wirtin ab. „Geschmack kann nicht online verkauft werden. Geschmack muss man erleben.“

 


 „Das erfüllt uns mehr als ein allzu dickes Portemonnaie.“


Frau Bernhardt blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. „Die Menschen sagen sich von Massenproduktionen los. Sie schauen auf die Art der Herstellung. Schauen wo das Produkt herkommt, und verschaffen sich auch gerne ein Bild vor Ort.“ Die Brandenburger Landpartie lädt Gäste zum Entdecken, Verweilen und Genießen ein und schafft so ein Bewusstsein für die Herstellung von regionalen Lebensmitteln. Da sie letztes Jahr coronabedingt ausfallen musste, zögerte Familie Bernhardt nicht lang und veranstaltete aus eigener Initiative die „1. Heideseeer Herbstpartie“ an der sich 21 Betriebe beteiligten und fast 500 Gäste den Kräuter- und Naturhof besuchten. „Natürlich mit Hygienekonzept und Sicherheitsdienst“ erzählt die Unternehmerin stolz. Von der Coronakrise lässt sie sich nicht entmutigen. In eine Abwärtsspirale ist sie dank ihrer großen Grundstücksfläche von 1864m² mit Sitzmöglichkeiten in einem großartigen Ambiente und Blick auf den Karpfenteich nicht gekommen. Gäste aus Berlin, Potsdam und Umland konnten auf dem Hof mal richtig durchatmen und die Freiheit spüren. „Die Leute waren froh für einige Stunden das Wort Corona zu vergessen“, erinnert die Hofbesitzerin begeistert. „Auch an allen vier Adventssonntagen standen wir um die Feuerschale und verbreiteten ein wenig heile Welt.“ Frau Bernhardts Augen funkeln, als sie uns erzählt, dass „das sie mehr erfüllt als ein allzu dickes Portemonnaie.“ Das nächste Projekt sollen ein paar Hühner sein, die übers Grün hüpfen dürfen und von Sonnenlicht und echter Nahrung leben dürfen – das nennt die Wirtin dann humorvoll „Biolärm“.

 

 Klangschalen auf dem Kräuterhof / Bild KNH



 

 


 

 


 













 

 

 

  

 

 

 


  

 

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